Kreative Talente fördern? Dann hör auf, die Saboteure zu füttern.

Wie fördert man (kreatives) Talent?
Diese Frage beschäftigt Sebastian Meyer-Engl, Executive Creative Director bei Slash.Digital. Mit über zehn Jahren Erfahrung in der Leitung kreativer Teams und dem Einsatz von Methoden wie Design Thinking, Behavioural Design und psychologischen Erkenntnissen hat er sich dazu einige Gedanken gemacht.

Kreatives Talent ist kein mystisches Phänomen. Und auch kein Spielcharakter, den man einfach auflevelt. Wir sprechen hier über Menschen. Natürlich ist das nicht die eigentliche Kernfrage – aber aus meiner Sicht ist es wichtig, das erstmal klarzustellen. Gerade in einer Branche, die auf kreativen Talenten aufbaut – und das inmitten eines „War for Talent“.

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Flaws vs. tools

Design Thinking lehrt uns, das kreative Potenzial in jedem Menschen zu erkennen. In einer Push-&-Pull-Dynamik nutzt es die Kreativität aller Beteiligten. Was Design Thinking so kraftvoll macht, ist die Tatsache, dass es typische menschliche „Schwächen“ umgeht:


Der Junior Art Director ist introvertiert und zu schüchtern? Lass ihn seine Idee auf einen Zettel schreiben, damit alle sie still lesen können. Die Creative Director hat schon alles gesehen und gewonnen und dominiert die Diskussion? Lass sie die gesammelten Ideen erst am Ende mit einem klaren Bewertungsschema beurteilen.

Solche Werkzeuge helfen uns, unsere menschliche Tendenz zu überwinden, kreatives Arbeiten unnötig schwer zu machen – und verhindern, dass wir unser eigenes Talent ausbremsen.

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Talent vs. craft

Lassen wir uns also auf eine größere Perspektive ein:
Anstatt nur zu fragen, wie wir Talent fördern, sollten wir uns fragen:
Was hindert uns eigentlich daran, unser kreatives Potenzial voll auszuschöpfen?

Natürlich gibt es strukturelle Gründe in jeder Organisation – aber konzentrieren wir uns hier auf die menschliche Ebene.

Kreatives Talent bedeutet nicht, außergewöhnlich gut in Konzept, Text oder Design zu sein. Das sind Handwerke – erlernbar, entwickelbar mit Zeit, Übung und Anleitung.
Kreatives Talent ist vielmehr eine Denkweise: Herausforderungen mit offenem Geist, Neugier, Spielfreude und dem Willen anzugehen, sie mit allem zu lösen, was einem zur Verfügung steht – einschließlich der eigenen Persönlichkeit.

Und genau das ist das Problem.

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Du vs. Dein Team

Oft stehen wir uns selbst im Weg, wenn es darum geht, unser kreatives Potenzial zu nutzen. Statt neugierig zu sein, sind wir vorsichtig. Statt uns voll einzubringen, halten wir uns zurück – geschützt durch eine Art Rüstung, die wir als „Jobpersönlichkeit“ tarnen.

Gerade als (kreative) Führungskraft ist hier der Punkt, an dem wir den Unterschied machen können. Es ist leicht, am kreativen Potenzial einzelner Teammitglieder oder des gesamten Teams zu zweifeln. Es ist viel schwerer, wirklich hinzuschauen und zu verstehen, was jede einzelne Person davon abhält, ihr volles kreatives Potenzial zu entfalten.

Schutz vs. Potenzial

Ein Ansatz, der mir persönlich und beruflich sehr geholfen hat, ist die Theorie der „Neuroscience of Positive Intelligence“ von Scott Frey. Die Grundidee: Wir alle tragen innere Saboteure in uns. Aus neurowissenschaftlicher Sicht sind sie ein Schutzmechanismus. Ausgelöst durch die Amygdala, reagieren wir in bestimmten Situationen auf eine Weise, die evolutionär sinnvoll für unser Überleben war – aber denkbar ungeeignet für eine produktive Brainstorming-Session sechs Tage vor dem wichtigsten Pitch des Jahres.

Hyper-Achiever vs. Hyper-Achiever

Diese Saboteure gibt es in uns allen – aber in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Controller, Vermeider, Perfektionist, Opfer, Gefälligkeitsmensch, Überflieger, Überanalytiker, Überwachsamer und der Rastlose – das sind die „Charaktere“, mit denen wir es zu tun haben. Aber: Sie sind nicht unsere Feinde! In vielen Fällen stecken hinter einem dominanten Saboteur auch echte Stärken.

Beispiel: Der Perfektionist (Stickler). Ein Auge fürs Detail ist für Designer:innen eine großartige Fähigkeit – solange Zeit und Briefing Perfektion zulassen. Wenn das nicht gegeben ist, wird genau dieser Anspruch zum Hindernis, blockiert das Ergebnis – und frustriert.

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Fazit

Die inneren Saboteure deiner kreativen Talente – und deiner eigenen – zu erkennen und dabei zu unterstützen, mit ihnen umzugehen, ist deine Aufgabe als Führungskraft. Es gibt zahlreiche Selbsttests und Coachings, um mehr über die Saboteure zu lernen … aber das hier ist keine Werbung dafür.

Das ist ein Aufruf, an das bereits vorhandene kreative Potenzial in deinem Team zu glauben – und klüger darin zu werden, es freizusetzen. Also: Nähre dein kreatives Talent mit gutem Essen, Wertschätzung und ausreichend Schlaf – in einem Umfeld, das unsere inneren Saboteure nicht noch zusätzlich füttert. Und vor allem: Fang bei dir selbst an.

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